Weltgeschehen

Zwischen Enttäuschung und Entgrenzung

Was verbindet Donald Trump, die US-Gesellschaft und den Aufstieg der AfD in Deutschland? Auf den ersten Blick mag es sich um voneinander getrennte Phänomene handeln – verschiedene Länder, Systeme, Biografien. Doch im Kern erzählen sie dieselbe Geschichte: die Geschichte vom Vertrauensverlust in politische Ordnung, vom Scheitern öffentlicher Kommunikation – und von der gefährlichen Versuchung, sich lieber dem Zorn zu überlassen als der Verantwortung.

Trump wurde nicht trotz seiner Skandale, seiner Lügen und seiner Widersprüche gewählt, sondern wegen ihnen. Er verkörperte den Protest gegen ein System, das vielen Menschen in den USA als kalt, abgehoben und gleichgültig erschien. Der amerikanische Traum – das Versprechen vom Aufstieg durch eigene Leistung – war für Millionen zur Fiktion geworden. Stattdessen: zerfallende Infrastruktur, stagnierende Löhne, medizinische Katastrophen, kulturelle Spaltung. Trump war kein Retter, sondern ein Symptom – ein Mann, der selbst Produkt der Elite war, aber auftrat wie ihr Gegenspieler. Und genau deshalb wurde er zum Projektionsraum der Enttäuschten.

In Deutschland ähnelt der Aufstieg der AfD dieser Dynamik. Auch hier beginnt alles mit einem Vertrauensbruch – der Eindruck, Politik sei „alternativlos“ geworden. Die frühen Gründer der Partei wollten ökonomische Alternativen zum Euro-Diktat. Doch die Partei wurde übernommen, umgedeutet, radikalisiert. Aus Kritik wurde Kampf, aus Argument wurde Identität. Die AfD ist längst nicht mehr wirtschaftsliberal, sondern völkisch-national. Und wie Trump profitiert sie davon, dass sie nicht für etwas steht – sondern gegen vieles.

Beide Bewegungen wären undenkbar ohne eine Gesellschaft, die den Glauben an Mitgestaltung, Kompromiss und Zukunft verloren hat. Wo Politik nur noch als Verwaltung erscheint, wo Komplexität als Ausrede und Vielfalt als Bedrohung gilt, dort wächst der Wunsch nach einfachen Antworten. Und dort entstehen Figuren, die nicht integrieren wollen, sondern trennen – nicht aufbauen, sondern abbrechen.

Diese Entwicklungen sind kein Beweis für den Untergang der Demokratie – aber eine ernste Mahnung. Denn Demokratie lebt nicht von ihrer Existenz, sondern von ihrem Erklären, Ertragen, Erneuern. Sie braucht Sprache, Vertrauen, Geduld – nicht Macht, Lautstärke und Zorn.

Was in den USA mit Trump begann, zeigt sich in Europa mit AfD, Le Pen, Meloni und Co. Es ist Zeit, zuzuhören, zu widersprechen – und nicht aus Arroganz zu schweigen. Wer Menschen verlieren will, muss ihnen nur lange genug das Gefühl geben, dass ihre Sorgen nichts bedeuten.

Dann suchen sie sich jemanden, der ihnen wenigstens ein Gefühl zurückgibt – auch wenn es Angst, Hass oder Stolz auf das Falsche ist.

Und genau deshalb ist es so gefährlich.